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Confidence

Jacqueline Chanton’s CONFIDENCE

Internationale Stars zu Gast in der ÖBV

 

So, oder ähnlich, könnte eine „Zeitungsente“ zur Ausstellung der Schweizer Künstlerin Jacqueline Chanton in der Österreichischen Beamtenversicherung lauten, und es wäre nicht einmal ganz gelogen...

Stars wie Audrey Hepburn, Marlon Brando, Sophia Loren, Elvis, Die Beatles, Naomi Campbell oder Andy Warhohl mischten sich unter das Vernissagenpublikum und werden auch noch zugegen sein, wenn längst wieder der Alltag in das Versicherungsgebäude Einzug gehalten hat. Wie ist das möglich? Jacqueline Chanton vertraut auf die Kraft der Bilder und macht sie sich in ihrer Kunst zunutze: Die Aura, die zweifellos internationale Größen aus dem Film-, Musik-, Mode- und Kunstbusiness umgibt, prägt die Atmosphäre im Atrium, auch wenn sie nicht von den realen, teilweise längst verstorbenen Personen, sondern von deren Porträts, den Gemälden und Zeichnungen Chantons ausgeht.

 

Bei allem Vertrauen in den „Wahrheitsgehalt“ des Abbildes, ist dennoch Misstrauen angebracht! Denn viele Werke der in Sarnen bei Luzern geborenen, seit ihrem Studium in Wien lebenden und arbeitenden Künstlerin zelebrieren zwar den schönen Schein, zeigen aber auch die Kehr- und Schattenseiten des Startums: So steht Glamouröses neben Andy Warhols von Operationsnarben entstellten Bauch und dem multiplen Porträt seiner Attentäterin Valerie Solanas mit Revolver im Anschlag, oder den auf der Flucht vor ihren Groupies befindlichen Pilzköpfen. Damit trifft sie genau den Nerv, den das heurige Jahresthema „Vertrauen – Misstrauen“ für die Veranstaltungen der ÖBV vorgibt.

 

„Wir leben in einer Bilderflut-Gesellschaft und diese Bilderflut droht uns langsam visuell zu ersticken“, konstatiert Carl Aigner, Direktor des NÖ Landesmuseums, zu Beginn seiner Laudatio auf Jacqueline Chanton, und fährt fort: „Für uns ist es eine Trivialität, eine Banalität, das Porträt eines Menschen zu sehen, oder auch ein Porträt von sich selbst. Ich bin überzeugt, dass hier niemand im Raum ist, von dem es kein Bildnis gibt, egal ob gezeichnet, gemalt, analog oder digital fotografiert. (KÜRZUNG)Das war nicht immer und überall so. Es gibt Errungenschaften der europäischen Kultur, die quasi einen Globalisierungseffekt ausgelöst haben: dazu gehören die Universitäten, die Museen und die Bildkultur – letztere während der vergangenen 100 Jahre vor allem durch die Erfindung der Fotografie. Bilder sind heute hochfunktionale Gebilde geworden. Denken Sie an die Bilderwelt der Werbung oder an die Bilderwelt der Stars und Celebrities. Ich möchte diese Überlegungen der Betrachtung von Jacqueline Chantons Werk voranstellen.“

 

Auf den ersten Blick wird bei Chantons Celebrity-Gemälden, wie beispielsweise dem großformatigen „Naomi“, oder dem kleinen, intimeren Tondo „Johnny Depp“, gar nicht deutlich, worin die elementare künstlerische Leistung liegt, weil wir schon im Übermaß gewohnt sind, Stars, egal welcher Rubrik, tagtäglich vorgeführt zu bekommen und das Individuum „hinter“ dem Bild gar nicht mehr wahrzunehmen vermögen. Vielmehr wird die tausendfach abgelichtete Person durch das Stereotyp, das Klischee und den Skandal, den die medialen Bilder erzeugen, förmlich unsichtbar.

 

Chanton kehrt diesen Prozess um: Trotz der Verwendung von Bildern aus Tabloids oder dem Web als Ausgangspunkt für ihre Malerei, rückt sie das Porträt des besonderen, einzigartigen Menschen wieder in den Vordergrund. Die Auflösung dieses Paradoxon gelingt, indem sie scheinbar objektives Bildmaterial, wie es die Fotografie bietet, aufgreift und in einem Prozess des Subjektivierens, der Rückführung und der Vereinzelung das überwindet, was die Bildmedien-Industrie geschaffen hat, nämlich „... dass wir glauben, alles was wir auf diesen Bildern sehen, sei Wahrheit, sei Objektivität!“ Aigner fügt in seiner Rede vor dem Vernissagenpublikum hinzu: „Diese scheinbare Objektivität aufzuzeigen, dieser Rückwandlungsprozess von Medienbilder jener Menschen, die wir glauben irgendwie zu kennen, dies ist der eigentliche Kern der künstlerischen Arbeit Chantons, sei es in ihrer Malerei oder in ihren schwarzweißen Pinselzeichnung. So haben Sie gewiss kein Foto von Sophia Loren gesehen, wie Sie es hier in der Übersetzung Jacqueline Chantons erleben können!“

 

Dies verdeutlicht vor allem der Arbeitsprozess, denn die Künstlerin verzichtet beim Malen bewusst auf die Zuhilfenahme technischer Übertragungsmittel, wie der Projektion oder des Digitaldrucks auf Leinwand, sondern komponiert die Starporträts im Vertrauen auf die eigene Intuition: „Ich will mir ein eigenes Bild machen von der Medienbilderflut, verstehen, wenn möglich mitformulieren! Ich kratze nur ein wenig am Lack der vorgefundenen Bilder, lasse sie durch mich hindurchfließen, durch mein Unterbewusstsein, mein Herz, meine Hand und meinen Pinsel zum Betrachter. Malend suche ich nach Schonraum für das Leben in einer manipulierten, simulierten Realität.“ (J.Chanton)

 

Die emotionale Auseinandersetzung mit dem „Foto-Modell“ wird dann im jeweiligen Pinselduktus, der Farbwahl und der Flächenaufteilung sichtbar. Ein Kunstgriff Chantons, der wohl in der Schweizer Tradition für geometrisch abstrakte Malerei (Max Bill, Josef Albers) steht und auch in ihrem Studium bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien begründet liegt, ist einerseits der monochrome Farbgrund, der den in Schwarz und Grauwerten gehaltenen Stars zur Bühne wird, andererseits das spannungsreiche Zusammenspiel von rein abstrakten Farbkompositionen mit den Figurenbildern. Dass dies so gelingt, hat vielleicht auch damit zu tun, dass Chanton als ausgebildete Restauratorin eine besondere Affinität zur Materialität des Bildes hat, denn dies schafft ein ganz anderes Bewusstsein im Umgang mit dem Medium, als es bei anderen Künstlerinnen und Künstlern der Fall ist.

 

Das Aufgreifen von Starporträts hatte natürlich bereits vor Chanton eine kunstgeschichtliche Dimension (Pop Art, Andy Warhol) und ist vor allem eine Begleiterscheinung des Siegeszuges der Fotografie – jenes Mediums, das den Menschen wie kein anderes erst als Subjekt konstituiert hat. Es ist der zeitgenössische künstlerische Zugriff auf eines der Hauptthemen der Kunstgeschichte, der die Redundanz von Bildern aufbricht und damit eine Chance für das Entstehen neuer Bilder in sich birgt. Carl Aigner dazu: „Jedes Bild vermeint eine Kraft in sich zu tragen, eine Aussage zu treffen, die da heißt: ‚Ich bin ein einmaliges Wesen! Ich bin nicht auswechselbar, nicht ersetzbar, es gibt mich als etwas ganz Eigenes und Einzigartiges!‘ Ich glaube, dass wir auch in dieser gesellschaftspolitischen Hinsicht die Arbeit von Chanton bewerten können: Ihre Stars sind nicht nur Mediengespenster, sie sind besondere Menschen mit einmaligen Begabungen!“

 

Maria Christine Holter mit Bezugnahme auf die Laudatio von Carl Aigner, Direktor des NÖ Landesmuseums.

JACQUELINE

CHANTON

KÜNSTLERIN/KURATORIN

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